Missverstanden

Ich betrete einen Raum

und werde gelesen.

Nicht gesehen.

Nicht gelassen.

Ich werde interpretiert –

als das, was sie kennen.

Oder zu kennen glauben.

 

Ich spüre zwischen den Zeilen,

auch wenn niemand spricht.

Ich sehe, was unausgesprochen bleibt.

Und das macht sie nervös.

Nervös, erkannt zu werden.

Nervös, wirklich gesehen zu sein.

 

Also gehen die Wände hoch.

Und ich passe mich an.

Nicht weil ich unsicher bin.

Sondern weil du mich

nicht halten kannst.

 

Ich will nicht zu viel sein.

Dich nicht bloßstellen.

Nicht verlieren.

 

Also begann ich, mich durch ihre Augen zu sehen.

Und irgendwann wusste ich nicht mehr,

welcher Blick noch meiner war.

 

Ich lebte so,

wie sie mich sehen wollten –

nicht mehr wie ich mich fühlte.

Ich habe mich so oft erklärt,

dass ich mich selbst kaum noch hörte.

 

Und jetzt brechen die Wände.

Und es wird klar:

 

Ich war nie zu schwer.

Diese Schwere, die sie spürten –

war nicht meine Tiefe.

Es war die Last der Anpassung.

 

Vielleicht war ich nie falsch.

Vielleicht war ich nur ein Spiegel,

den niemand halten wollte.

 

Vielleicht war mein Gesicht nicht falsch –

nur nicht lesbar

für Menschen,

die nie gelernt haben,

zwischen den Zeilen zu spüren.

 

Ich muss mich nicht mehr beweisen.

Nicht mehr glätten.

Nicht mehr gefallen,

um mich selbst zu mögen.

 

Ich war mir nie wirklich fern.

Ich war nur zu sehr damit beschäftigt,

anderen näher zu sein

als mir selbst.

 

(c) Fabienne Hofmann


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