Ein persönlicher Weg aus dem Überlebensmodus zurück ins echte Leben
Vor zehn Jahren war ich an einem ähnlichen Punkt wie heute. Damals war ich im Endspurt meiner Grafikschule, als ich einen Unfall hatte. Schlittenfahren, zack – mein Körper war lahmgelegt. Ich konnte mich nicht mehr bewegen, lag wochenlang in Embryohaltung. Und als im Außen gar nichts mehr ging, ist in meinem Inneren etwas erwacht: meine Kreativität.
Kaum konnte ich wieder stehen, habe ich gemalt. Kaum konnte ich sitzen, habe ich gebastelt. Und dann kam der Zauberwald. Und ich wusste: Das ist der Anfang meiner Berufung. Ich begann, das Feinstoffliche ins Irdische zu übersetzen. Und heute – zehn Jahre später – mache ich genau das immer noch. Nur ganz anders.
Anfang dieses Jahres musste ich meine Einzelfirma abmelden. Und ich habe gekämpft wie noch nie. Ich wollte mein Baby nicht verlieren. Ich wollte das nicht loslassen, was ich mir aufgebaut hatte – meine Selbstständigkeit, meine Freiheit, meine Berufung. Doch tief in mir war schon dieser Wunsch nach Ruhe, nach Frieden, nach einem menschlichen Leben. Und mein Körper war müde. Vielleicht nennt man das Burnout. Ich nenne es: Ich konnte einfach nicht mehr leisten.
Ich war zu müde, um E-Mails zu beantworten. Zu müde, um Dinge zu erklären. Ich hatte keine Kraft mehr für Anpassungen. Und zum ersten Mal in meinem Leben hatte ich deswegen kein schlechtes Gewissen.
Ich habe einfach ignoriert, was nicht echt war. Und das war der Anfang meiner Freiheit.
Was mir da passiert ist, war kein bewusster Prozess. Ich habe nicht gesagt: „Ich gebe mich hin.“
Es ist einfach passiert.
Und plötzlich war ich da – im Nichts.
Im weißen Raum.
Ohne Titel.
Ohne Rolle.
Ohne Aufgabe.
Ich war nichts – und ich war zum ersten Mal frei.
Ich konnte sein, ohne leisten zu müssen.
Ich konnte mich still fühlen, ohne dass es mich zerreißt.
Und irgendwann wurde mir klar:
Das, was geblieben ist, ist mein Ausdruck.
Mein künstlerischer Selbstausdruck.
Ich schreibe.
Ich fühle.
Ich spreche.
Ich bin.
Und das ist meine Berufung.
Nicht als Job.
Nicht als Angebot.
Sondern als Existenz.
Als pure Gegenwart.
Vielleicht erinnerst du dich jetzt gerade an dich.
Du hast schon so viel gemacht.
So viele Bücher gelesen.
So viele Tools ausprobiert.
Manifestiert, gejournalt, hingegeben, gehofft.
Du hast dich selbst geliebt – wirklich geliebt.
Und trotzdem ist das Außen nicht gefolgt.
Du hast gebetet.
Gefleht.
An dich geglaubt.
Und trotzdem bist du leer geblieben.
Und du fragst dich: Warum?
Ich war genau da und habe es nie verstanden, warum es bei allen klappt – nur bei mir nicht.
Ich war frustriert, weil ich wusste, dass ich keinen Mangel an innerem Reichtum hatte.
Ich hatte Fülle im Überfluss.
Aber mein Körper kannte sie nicht.
Mein Nervensystem war mein ganzes Leben im Überlebensmodus.
Ich habe nie Sicherheit gekannt.
Und darum konnte ich sie nicht halten.
Konnte ich sie nicht verkörpern.
Da konnten Menschen mir noch so oft sagen,
„dein innerer Reichtum zieht den äußeren an“ –
mein Körper sagte: Nein.
Mein Körper sagte: Ich bin nicht sicher.
Und darum war mein Nervensystem die einzige Wahrheit.
Nicht meine Affirmationen.
Nicht mein Glaube.
Nicht mein Mindset.
Sondern mein zittriger, überlasteter Körper,
der nie wusste, was es heißt, sicher zu sein.
Und erst als ich nichts mehr konnte,
erst als ich nichts mehr getan habe,
hat mein Nervensystem angefangen sich zu erholen.
Erst da konnte ich plötzlich fühlen,
was vorher nur Theorie war.
Fließen war kein Konzept mehr.
Es war ein Körperzustand.
Und die Impulse kamen aus der echten Stille.
Nicht aus der Leere.
Sondern aus der Zartheit.
Zartheit ist, wenn ich erkenne:
Ich muss nicht(s) mehr daraus machen.
Kein Gedanke, der inspirieren möchte.
Kein Gefühl, das nach Bedeutung ruft.
Kein Schmerz, der zur Metapher werden will.
Und genau dort –
schimmert es hervor.
Nicht als Wort.
Nicht als Leistung.
Sondern als Raum,
in dem ich sein darf,
ohne mich erklären zu müssen.
Ich weiß heute:
Die Seele lebt, wenn sie aufhört, Rollen zu erfüllen.
Das Leben wird lebendig, wenn du aufhörst, es in eine Form zu pressen.
Nichts hat Bedeutung, wenn du es verformst.
Aber alles hat Tiefe, wenn du es lässt.
Ich kann endlich einfach sein und Frieden spüren.
Nicht, weil ich Frieden gefunden habe –
sondern weil ich aufgehört habe, ihn zu suchen.
Und vielleicht liest du das und spürst:
Du bist auch schon längst da, nur dein Körper darf nun mitfühlen, dass auch er sicher ist.
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